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Heinz Breloh – Bildhauer

Museum Kolumba: „Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir“

 

Kunst und Choreografie
Jahresausstellung 2020/2021 (14.09. 2020 bis 16.08.2021)
Kunstmuseum Kolumba, Köln
Eine Kooperation von Kolumba und Tanz Köln, kuratiert von Barbara von Flüe,
Malte Guttek, Hanna Koller, Stefan Kraus, Marc Steinmann und Ulrike Surmann


Kolumba nahm den 80. Geburtstag von Heinz Breloh zum Anlass, dessen Werk erstmals in seiner Gesamtheit zu zeigen. Von Filmarbeiten aus den 1970er Jahren über Skulpturen der Kategorie Lebensgröße ab Mitte der 1980er Jahre bis hin zu Keramiken aus den 1990er Jahren wurden alle künstlerischen Phasen Heinz Brelohs aufgearbeitet. Seine Werke waren verbindendes Glied von acht monografischen Kapiteln mit Arbeiten von Künstler_innen, die herkömmliche Körperbilder einer kritischen Revision unterziehen und über den Einsatz ihres eigenen Körpers nach neuen Möglichkeiten der Repräsentation suchen. Schwerpunkt bildeten Arbeiten aus den 1970er Jahren, einer Zeit, in der konzeptuelle und institutionskritische Strategien in der Kunst vorherrschend sind und der Körper zunehmend politisiert wird.

Die anderen Kapitel waren Bernhard Leitner, Duane Michals, Richard Tuttle, Hannah Villiger, Esther Kläs, »Büro für Augen, Nase, Zunge, Mund, Herz, Hand und Maske« und Anne Teresa de Keersmaeker/Rosas »Dark Red« gewidmet.

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Anlässlich der Ausstellung erschien in der Reihe der Künstlerhefte von Kolumba ein Faksimile von Heinz Brelohs wichtigster kunsttheoretischer Schrift (beziehbar über das Museum -

Ein Sammlungskatalog ist in Vorbereitung.

Die Ausstellung holte Choreografie und Tanz von der Bühne weg in den Aktionsraum des Museums, um die unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten miteinander in Kontakt zu bringen und übergreifende Fragestellungen erlebbar zu machen: Wie kann man einen Körper wiedergeben? Welche Rolle spielen körperliche Erfahrungen und Erinnerungen in der Wahrnehmung von Welt? Gibt es ein spezifisch körperliches Denken? Welche Spuren eines choreografischen Denkens gibt es in der bildenden Kunst? Welche Rolle spielen dabei aus heutiger Sicht queere Fragestellungen? Wie adressiert und inszeniert ein Kunstwerk sein Gegenüber? Ist eine Ausstellung eine Choreografie? Was für eine Rolle spielen dabei institutionelle Regeln und Handlungsanweisungen?

Erläuterungen zu den einzelnen Kapiteln:

Kapitel 1 - Anne Teresa de Keersmaeker / Rosas
Als Auftakt und als integraler Bestandteil der Jahresausstellung brachte die belgische Choreografin und Tänzerin Anne Teresa De Keersmaeker (*1960) mit ihrer Compagnie Rosas über den Zeitraum von einer Woche das eigens für diesen Ort realisierte Stück »Dark Red« zur Aufführung. Kurzer Film hier.

Kapitel 2 - Richard Tuttle
An jedem Samstag wurde die Arbeit »Ten Kinds of Memory and Memory Itself« von 1973 neu aufgeführt. Die frühe Arbeit von Richard Tuttle (*1941) besteht aus 10 Zeichnungen, die mittels einfacher Fäden auf dem Boden ausgelegt werden. Die als Spur darin aufgehobene körperliche Geste eröffnet einen Möglichkeitsraum, innerhalb dessen die Besucher_innen zu selbstbestimmenden Akteur_innen werden. Die Notationen zu dieser Arbeit ist in einem Künstlerheft enthalten.

Kapitel 3 - Esther Kläs
»Wir können uns bewegen. Die Skulptur kann das nicht.« Diese zunächst simpel anmutende Feststellung von Esther Kläs (*1981) öffnet den Raum für die Rezeption ihrer Arbeiten; sie benennt eine gleichwertige Präsenz von Werk und Betrachter_in. Unser Verhalten wird dabei bestimmt durch Ausdruck und Charakter der Werke, deren optisch erzeugter Eindruck von Struktur, Dichte und Gewicht bisweilen in die Irre führt.

Kapitel 4 - Duane Michals

Der amerikanische Künstler Duane Michals (*1932) ist ein Grenzgänger zwischen Fotografie, Malerei und Poesie. Das Medium der Fotografie benutzt er in völligem Widerspruch zu den Eigenschaften, die man ihr zuerkennt. In seinen seit Mitte der 1960er Jahre entstandenen Bildsequenzen findet er einfache und eindringliche Bilder für existentielle Themen wie die Frage nach unserer Wahrnehmung von »Realität«, nach gesellschaftlichen Normen und Werten, dem Begehren, Einsamkeit oder Vergänglichkeit und Tod.

Kapitel 5 - Bernhard Leitner
Als Forscher repräsentiert Bernhard Leitner (*1938) einen Künstler, der seine eigenen Werkzeuge erfinden musste, da ihm für seine Untersuchung zum Zeitpunkt des Beginns keine geeigneten Medien zur Verfügung standen. Der Architekt und Städteplaner ist ein Pionier der akustischen Raumkunst. Schon Ende der 1960er Jahre entwickelte er Konzepte, um mit Klängen eine Raum- und damit auch eine Körpererfahrung zu schaffen.

Kapitel 6 - Hannah Villiger
Hannah Villiger (1951-1997) beginnt in den frühen 1980er Jahren, ihren Körper mit der Kamera zu erforschen. Im Dialog mit sich selbst – als »kleines Spiel zwischen dem Ich und dem Mir« (Tagebuch 1989) – fotografiert sie sich mit der Polaroidkamera. Die so gewonnenen Bilder vergrößert sie über den Weg eines Zwischennegativs und zieht sie auf Aluminiumplatten, die sie als Einzelbilder zeigt oder zu Blöcken konstelliert. Mit dieser Rückbesinnung auf sich selbst hat Hannah Villiger Pionierarbeit geleistet für die Künstlerinnen der 1990er Jahre und für ein selbstbewusstes Anders-Sehen des Körpers aus weiblicher Sicht.

Kapitel 7 - »Büro für Augen, Nase, Zunge, Mund, Herz, Hand und Maske (die alles überdeckt)«
Im Herbst 2016 verbrachte die tschechische Künstlerin Eva Kot’átková zwei Wochen im Kölner Kunsthaus KAT 18, in dem künstlerisch begabte, mental behinderte Menschen arbeiten. Ihr fiel auf, dass sich die Künstler_innen oft mit dem eigenen Körper und seinen Einzelteilen beschäftigen. Gemeinsam mit ihnen entwickelte sie die Idee, ein »Büro für Augen, Nase, Zunge, Mund, Herz, Hand und Maske (die alles überdeckt)« einzurichten. Das Projekt unter der Leitung von Eva Kot`átková ermöglichte den Künstler_innen einmalige Körpererfahrungen, die sie nun gerne an das Publikum weitergeben wollen.

Kapitel 8 - Heinz Breloh
Mit dem Bildhauer als Sechsender entwirft Heinz Breloh (1940–2001) 1988 ein künstlerisches Konzept seiner selbst als gestaltender und wahrnehmender Mensch. Vorausgegangen waren diesem Bild zwei Jahrzehnte intensiver Auseinandersetzung mit seinem eigenen Körper als Werkzeug für die künstlerische Arbeit. In den 1970er Jahren beginnt Heinz Breloh mit filmischen und fotografischen Arbeiten. Diese führen ihn in den 1980er Jahren zu einer Neudefinition der Plastik: Er realisiert Skulpturen aus Gips, die unter Einsatz seines ganzen Körpers entstehen und als Negativform seiner Handlungen zurückbleiben. Sein 80. Geburtstag ist Anlass, sein Werk erstmals in der Gesamtheit zu zeigen, ohne das Format einer klassischen Retrospektive wählen.